Die drei Säulen der Gesundheit
Säule 2 - Psyche - Seelische Gesundheit
Das Rappeln des Weckers reißt dich aus dem Schlaf. Du konntest nicht gut einschlafen, weil du die Probleme des vergangenen Tages mit ins Bett genommen hast, dein Schlaf war unruhig und du wachst eher erschöpft als erholt auf. Und heute liegt mal wieder ein mächtiges Tagesprogramm vor dir, in der Firma geht es drunter und drüber, du hast das Gefühl dem allen nicht mehr gewachsen zu sein - STRESS.
Du kommst nach Hause, da ist niemand. Warum warst du einkaufen, für wen lohnt es sich zu kochen? Du schaltest die Glotze an oder surfst stundenlang im Netz, niemand braucht dich, niemand ist für dich da - EINSAMKEIT.
Du traust dich kaum noch die Nachrichten anzuschauen. Erst die Corona-Pandemie, dann der Krieg in der Ukraine, über allem die Klimakatastrophe und jetzt wird alles teurer, du sorgst dich um deinen Arbeitsplatz, wo soll das alles hinführen - ÄNGSTE.
Dauerhafter Stress, das Gefühl der Einsamkeit und die Angst vor der Zukunft diese und einige weitere psychische Probleme - Stichworte sind Burn-Out und Depression - nehmen in den letzten Jahren mehr und mehr zu. Dem Gesundheitsbericht der AOK war zu entnehmen, dass 2019 psychische Erkrankungen erstmals zweithäufigste Ursache für Fehltage waren. Etwa jeder achte Fehltag (11,9 %) war darauf zurückzuführen. Sie bedrohen nicht nur unser Zusammenleben, sondern die eigene Gesundheit.
Ein weiteres Problem, die Einsamkeit vieler Menschen hat sich durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie weiter verschärft. Laut einer aktuellen Studie des Instituts für deutsche Wirtschaft fühlen sich in Deutschland über acht Millionen Menschen oft oder immer einsam.
Und letztlich kann man den Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde entnehmen, dass in Deutschland jedes Jahr etwa 27,8 % der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen sind und zu den häufigsten Erkrankungen Angststörungen (15,4 %) zählen [1].
Wie können wir dem begegnen? Wie können wir unsere Widerstandskraft, unsere Resilienz steigern?
Wie wäre es, mal zur Ruhe zu kommen? Sich mit netten Menschen zu treffen und gemeinsam Sport zu treiben? Sich, wenn man Lust hat, mal so richtig auszupowern oder ganz gemütlich treiben lassen? Sich einer respekteinflößenden Aufgabe zu stellen, Mut zu sammeln und sie gemeinsam mit Freunden zu meistern?
Gibt es eine Sportart, die das alles in seiner ganzen Breite besser könnte, als der Natursport?
Ein Zauberwort heißt Entspannung
Wie geschrieben, sind wir oft enormem Stress ausgesetzt. Dazu kommen Einsamkeit, begründete Ängste und irrationale Angstzustände. All dies erhöht den Stresslevel, wir sind unruhig und finden keinen erholsamen Schlaf mehr. Das macht uns noch angespannter … ein Teufelskreis.
Um diesem Circulus vitiosus zu entkommen, müssen wir die Abwärtsspirale durch geeignete Maßnahmen, die uns Entspannung schenken, durchbrechen.
Welche Entspannungstechniken gibt es?
In einer Übersichtstudie aus dem Jahr 2011 wurde belegt, dass es vielerlei Techniken gibt, die Stress erfolgreich reduzieren und die Gesundheit fördern können. Es wurden folgende Techniken genannt: progressive Muskelentspannung, autogenes Training, Entspannungsreaktion, Biofeedback, Technik der emotionalen Freiheit, geführte Bilder, Zwerchfellatmung, transzendentale Meditation, kognitive Verhaltenstherapie, auf Achtsamkeit basierende Stressreduktion und Technik der emotionalen Freiheit [2], darüber hinaus gibt es auch gute Belege, dass auch Yoga sehr wirksam ist. Aber Entspannung kann auch durch intensive sportliche Betätigung erreicht werden. Denn letztlich wird Stress erst dann gesundheitsschädlich, wenn er zum Dauerzustand wird, weil die chemischen Stoffe, die der Körper als Stressreaktion ausschüttet, dann nicht durch Bewegung abgebaut werden.
Das andere Zauberwort heißt Wohlbefinden
Wieso ist es wichtig positive Gedanken und Gefühle zu haben?
Mehrere wissenschaftliche Studien haben sich der Frage angenommen, ob und wie Gefühle unsere Gesundheit beeinflussen. Dabei wurde beobachtet, dass positive Gefühle Entzündungen entgegen wirken. Positive optimistische Menschen weisen danach niedrigere Entzündungsmarker im Blut auf als Pessimisten, also von den Stoffen, die auf akute und chronische Entzündungen hindeuten, welche für vielerlei Gesundheitsprobleme verantwortlich gemacht werden und das Immunsystem schwächen [3].
Das Bedürfnis mit anderen Menschen in Kontakt zu stehen, der Drang nach Nähe und guten Beziehungen ist in uns Menschen ganz tief angelegt. Sicher braucht es für die eine oder den anderen auch mal Zeiten der Ruhe und Selbstfindung, aber dies ist gewähltes Alleinsein und nicht Einsamkeit. Schon 1995 veröffentlichten Baumeister und Leary dazu eine vielzitierte Untersuchung [4], die belegt, von welch fundamentaler Bedeutung gute Beziehungen und Nähe zu anderen Menschen für uns ist.
Daneben ist es aber auch wichtig, dass wir Erlebnisse haben, die wir als Erfolgserlebnisse empfinden. Wir sollten also aktiv werden und uns als kompetent erweisen. Auch hier gibt es Auswirkungen auf das Entzündungsgeschehen im Körper. Positive Erlebnisse können eine schützende Rolle gegen Entzündungsprozesse spielen [5] und damit das Immunsystem stärken.
Das dritte Grundbedürfnis gilt der Selbstbestimmung und Autonomie, ein Gefühl das sich bei Aktivitäten einstellt, die man gerne und freiwillig tut und nicht weil man sie tun muss. Das kann vieles sein und wird für jede*n von uns etwas anders aussehen. Manche lieben es sich mit einem guten Buch zurück zu ziehen, andere schauen lieber einen spannenden Film an; manche gehen gerne ins Theater oder Kino und andere mit anderen Menschen zum gemeinsamen Spazieren in den Wald. Und wir Kanuten schnappen uns unser Boot und paddeln los.
Angst ist nichts grundsätzlich Schelchtes, man kann sie überwinden
Das Thema "Angst" beschäftigt manche Kanuten, vor allem die Wildwasserfaktion, aber auch Kletterer natürlich sehr. Dabei stellt man immer wieder fest, wie wichtig in Outdoor-Situationen Angst im Sinne von Respekt ist, aber wie gefährlich, wenn sie als Angst hemmend und leistungsmindernd wirkt. Aber Ängste, vor allem irrationale und krankhafte, haben auch Auswirkungen auf das Immunsystem und damit auf die Gesundheit. Wie das epigenetisch funktioniert, wurde vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie untersucht. Es dürfte als gesichert gelten, dass Angst negative Einflüsse hat und es ist nicht vorstellbar, dass ein dauerhaft angsterfüllter Mensch zu Entspannung und Wohlbefinden und positiven Emotion fähig ist. Die Gefahr von selbstverstärkenden Schleifen besteht: Ich habe Angst, also verkrieche ich mich, in der Folge fühle ich mich schlecht, die Angst wächst, usw. …
Wer aber wie viele Erlebnissportler lernt, sich seinen Ängsten zu stellen, sie in Respekt umzuwandeln, nach erfolgter Risikobewertung Schwierigkeiten zu meistern oder auch mal das Boot um eine schwere Stelle herum zu tragen oder eine Kletterroute sein zu lassen, lernt damit fürs Leben.
Ängste als Regulativ sind wichtig, aber die dürfen uns nicht beherrschen. Im Sport kann man Selbtswirksamkeit erleben und das Selbstbewusstsein und Zutrauen steigern.
Fassen wir zusammen:
1. Seelische Gesundheit ist eine wesentliche Säule von geistig-psychischen, aber auch von körperlichem Wohlbefinden und damit von hoher Lebensqualität.
Sie hat verschiedene Aspekte, die alle durch den Kanusport beeinflusst werden können.2. Sich bei einer anstrengenden, langen Outdoor-Tour so richtig zu verausgaben hilft Stress abzubauen.
3. Der Umgang mit Ängsten kann in schwierigen Erlebnissituationen geübt werden, Sportfreunde sind dabei und in der Gruppe wächst man über sich hinaus.
4. Entspannungsübungen können bei Treffen mit Gleichgesinnten eingeübt werden. Kurze, effektive Atemübungen (siehe Kasten) können bei der Pause am Ufer oder am Fels eingebaut werden. Yoga ist nicht nur auf die Matte in der Gymnastikhalle beschränkt, sondern kann auch auf dem SUP praktiziert werden. Und letztlich kann einer Paddeltour zu einer Tour-de-Wellness werden, wenn wir uns einfach mal treiben lassen, den Geräuschen lauschen, die Sonne auf der Haut spüren und es genießen im Boot übers Wasser zu gleiten.
5. Und das Beste an unserem Sport: Wir können natürlich alleine einen Tag auf dem Wasser, im Wald oder am Fels genießen, aber wir alle haben unsere Vereine und mit Freunden ist Sport am schönsten. Gibt es eine wirksamere Methode gegen Einsamkeit.
Und jetzt Computer aus und raus an die frische Luft, ins Kanu oder in die Laufschuhe.
Quellen:
[1] DGPPN-Faktenblatt: Aktuelle Zahlen und Fakten der Psychiatrie und Psychotherapie
[2] Health Science Journal: Stress Management Techniques: evidence-based procedures that reduce stress and promote health
[3] PubMed.gov: Positive affect and markers of inflammation: discrete positive emotions predict lower levels of inflammatory cytokines
[4] PubMed.gov: The need to belong: desire for interpersonal attachments as a fundamental human motivation
[5] ScienceDirect: Daily positive events and inflammation: Findings from the National Study of Daily Experiences
[6] U.S. National Library of Medicine: Effect of short-term practice of pranayamic breathing exercises on cognition, anxiety, general well being and heart rate variability.