Teil 4

"Unsere Physis" - Körperliche Gesundheit


Säule: PsycheWährend es in den bereits veröffentlichen Teilen dieser Artikelserie um die beiden Säulen der Gesundheit ging, die anscheinend nicht unmittelbar mit dem Natursport zu tun haben und sich mit Fragen der seelischen Gesundheit und Ernährung befassten, nähern wir uns nun der Bewegung selbst. Durch viele Studien gut belegt, können wir folgende Aussage festhalten:
Zu wenig Bewegung ist ungesund.

 

AnführungszeichenZitate aus der wissenschaftlichen Literatur

Manfred Muster und Rolf Zielinksi schreiben in ihrem Buch „Bewegung und Gesundheit – Gesicherte Effekte von körperlicher Aktivität und Ausdauertraining“:
„Gute Fitness und regelmäßige körperliche Aktivität senken die Gesamtsterblichkeit und führen somit zu einer Lebensverlängerung. Dies gilt für Männer wie Frauen unabhängig von genetischen Faktoren. Auch eine späte Veränderung des Lebensstils lohnt sich noch. Je höher das Ausmaß körperlicher Aktivität, desto deutlicher fällt die Senkung der Mortalität aus.“

Die Studie „Effects of Physical Activity on Health“ von Wissenschaftler*innen aus Österreich kommt zu folgenden Schlüssen:
„Regelmäßige Bewegung trägt sowohl zum Erhalt als auch zur Verbesserung des Gesundheitszustandes bei und ist für die menschliche Entwicklung über die gesamte Lebensspanne des Menschen wichtig. Starke Evidenz hinsichtlich der positiven Auswirkung körperlicher Aktivität auf die Gesundheit liegt in den Bereichen  Gesamtsterblichkeit, Krebserkrankungen, Herz-Kreislaufgesundheit, muskuloskelettale Gesundheit, Stoffwechselgesundheit sowie neurokognitive Gesundheit vor.“
Also auch hier klare Belege für die These, dass mangelnde körperliche Aktivität der Gesundheit abträglich ist. Weiter schreiben sie in der Arbeit:
„Als gesundheitswirksame körperliche Aktivität werden all jene Bewegungsformen bezeichnet, welche die Gesundheit verbessern und bei denen das  Verletzungsrisiko gering ist. In den Österreichischen Bewegungsempfehlungen werden ausdauerorientierte Bewegung, Krafttraining und Koordinationsübungen empfohlen.“
Aber sie weisen auch auf die Gefahren hin, die den gesundheitsfördernden Effekt schmälern können:
„Durch regelmäßige ausdauerorientierte und muskelkräftigende Bewegung werden weitreichende Gesundheitseffekte erzielt. Dennoch kann es bei der Ausführung zu unerwünschten Ereignissen kommen. Hiervon betroffen sind v. a. der Bewegungsapparat und das Kreislaufsystem. Durch adäquate Vorbereitung, passende Ausrüstung und richtige Ausübung wird jedoch nicht nur der persönliche, sondern auch der gemeinschaftliche Gesundheitsnutzen durch Bewegung und Sport gesteigert.“

Weitere wesentliche Aspekte sprechen Eszter Füzéki und Winfried Banzer im Kapitel „Bewegung und Gesundheit“ ihres Werkes „Gesundheitswissenschaften“ an. Sie schreiben in der Zusammenfassung:
„Der Mensch ist auf Bewegung angelegt: Bewegung ist die natürliche Grundlage seiner körperlichen und psychischen Gesundheit. Ein Großteil der Bevölkerung, Erwachsene wie Kinder, erfüllt aber nicht die aus präventivmedizinischer Sicht geltenden Empfehlungen zur körperlichen Aktivität. Dabei ist Bewegungsarmut ein bedeutsamer Risikofaktor für chronische Erkrankungen, frühzeitigen Verlust der Selbstständigkeit und Mortalität. Regelmäßige körperliche Aktivität stellt auch bei schon bestehenden chronischen Erkrankungen eine Gesundheitsressource dar. Sie kann die (medikamentöse) Therapie sinnvoll ergänzen und die Leistungsfähigkeit stärken. Neben den somatischen Effekten erhöht Bewegung das Wohlbefinden und die Lebensqualität von sowohl Gesunden als auch chronisch Kranken, weist eine stressregulierende Wirkung auf und kann die Schlafqualität verbessern. Darüber hinaus ist es nie zu spät anzufangen: die positiven Effekte der Bewegung entfalten sich auch, wenn sie erst im späten Alter aufgenommen wird.“


Gesund durch Kanusport?

Betrachten wir nun exemplarisch unseren geliebten Kanusport im Lichte der wissenschaftlichen Erkenntnisse und versuchen daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Schauen wir uns die Vor- und Nachteile des Kanusports genauer an:

  • Der Kanusport kann eine ganze Reihe Pluspunkte für sich verbuchen, die ihn zur Empfehlung besonders für Menschen macht, die bisher wenig oder keinen Sport getrieben haben, da auf den geeigneten Gewässern sehr behutsam mit dem Kanusport begonnen werden kann und insbesondere übergewichtige Menschen ohne zu hohe Belastungen für ihre Gelenke mit dem Sport
    beginnen können.
  • Die Anforderungen an das Herz-Kreislauf-System können bei ausreichender Technik dann nach Bedarf gesteigert werden. Hier bieten sich vor allem Fahrten im Zahmwasser an.
  • Daneben ist das Kanufahren als Natur- und Outdoorsport auch dem seelischen Wohlbefinden zuträglich und da es meist in Gruppen ausgeführt wird, profitieren die Sportler*innen auch vom Gefühl des Zusammenseins mit anderen.
  • Für fortgeschrittene Kanuten kann das Paddeln auf bewegtem Wasser und vor allem Wildwasser durch sein Anforderungsprofil sowohl körperliche, als aus psychische positive Effekte erzielen. Hier  ist allerdings ein ausreichendes Know-How von absoluter Wichtigkeit, um Überforderungen und Risiken auszuschließen.
  • Letztlich kann der Kanusport als Teamsport ohne Wettkampfcharakter ausgeübt werden, es werden also Kooperation und Gemeinschaftssinn eingeübt und gestärkt. Daneben fehlt ein Risikofaktor vieler Sportarten, denn auch bei meisten kanusportlichen Wettkampfdisziplinen (Rennsport, Slalom) kommt es nicht zum Kontakt mit dem Gegner (Ausnahme Kanupolo), einer der häufigsten
    Verletzungsursachen in anderen Sportarten, allen voran der Nationalsport Fußball.

Gefahr durch Unwissenheit und Leichtsinn

Wirft man einen Blick auf die durchaus vorhandenen Nachteile des Kanusports, so kann festgestellt werden, dass es natürlich im Kanusport zu Verletzungen nach Kenterungen und im schlimmsten Fall zu Ertrinkungsunfällen kommen kann.

  • Schaut man sich aber die Analysen der Unfälle der letzten Jahren an (z.B.: Unfallstatistik 2023), so darf festgestellt werden, dass ein großer Teil der Unfälle auf das Konto von Unwissenheit und fehlender Ausrüstung (z.B.: Schwimmweste) zurück zu führen oder im schweren Wildwasser passiert sind und damit im Bereich Kanusport pro Gesundheit leicht ausgeschlossen werden können. Neulingen muss angeraten werden, sich Kanuvereinen anzuschließen und Kurse zu besuchen, dann kann Kanusport als risikoarmer, gesunder Sport betrieben werden.
  • Bliebe als letzter, nicht weg zu leugnender Punkt die recht geringe Intensität im Bereich Breitensport und die sitzende Ausübung.

Auch hier ist Abhilfe leicht möglich und kann als Ergänzungsangebot oder im Rahmen der Ausübung eingebaut werden. Beispielsweise sollte ergänzend zum Kanusport-Angebot in jedem Verein auch Ausgleichstraining angeboten werden und hier vor allem Krafttraining und Koordinationstraining (viele Bootshäuser besitzen Fitness- und Krafträume, ansonsten greift man in den kälteren Monate auf die örtlichen Sporthallen zu). Daneben können Walking- und Lauftreffs das Angebot jeden Kanuvereins sinnvoll ergänzen. Und letztlich darf mit den geübten Kanuten gerne auch immer mal eine flotte Runde um den See oder auf der Hausstrecke eingestreut werden, so dass der Puls ausreichend hoch geht, um eine entsprechende Wirkung zu erzielen.

Und da Kanusport oft auch mit Fahrten und Reisen verbunden ist und diese in meist schöne Landschaften führen, sollten Vereinsfahrten durch attraktive Angebote ergänzt werden, wie Wanderungen, Dauerläufen, Bergsteigen oder Radtouren. Viele Regionen sind zu schön, um sie nur aus dem Boot und Auto heraus zu betrachten und der gesundheitliche Nutzen ist ein Bonus für alle. Genauere Tipps und Empfehlungen zu Laufangeboten und Ausgleichstraining gibt es in einem der nächsten Teile dieser Serie.

Kanufahren als Gesundheitssport

  PRO KONTRA
 
  • Bewegung an der frischen Luft
  • Auch für übergewichtige und unerfahrene Personen gut machbar
  • Spaß an der Bewegung
  • Naturerfahrungen möglich
  • Teamgeist wird gestärkt
  • Bei guter Technik sehr wenig Verletzungsrisiko
  • Sitzende Ausübung (Ausnahme SUP)
  • Muskulatur der Beine kaum gefordert
  • Große Wirkung auf das Herz-Kreislauf-
    System nur bei intensiver Ausübung zu
    erzielen
  • Verletzungsrisiko nach Kenterung
  • Ertrinkungsrisiko

 

Fassen wir zusammen:

  • Viele von uns bewegen sich zu wenig und setzen dadurch ihre Gesundheit aufs Spiel.
  • Die positven Wirkungen von Bewegung auf die körperliche und seelische Gesundheit sind in zahlreichen Studien bestens belegt.
  • Wer sich nicht ausreichend bewegt, riskiert öfter und eher zu erkranken und früher zu sterben.
  • Wer krank ist, leistet durch ausreichende Bewegung einen wichtigen Beitrag zur Gesundung, sowohl bei körperlichen als auch psychischen Erkrankungen.
  • Ganz wichtig: Es ist nie zu spät um anzufangen seine Gewohnheiten zu ändern.
  • Der Kanusport stellt eine hervorragende Möglichkeit dar, sich gesund zu bewegen, auch für unsportliche und übergewichtige Menschen.
  • Gute Betreuung durch erfahrene Kanuten für Anfänger*innen und ergänzende Angebote in den Bereichen Ausdauer, Beweglichkeit und Kraft machen unseren Sport zum Gesundheitssport. 

 

Ende Teil 4

Genug gelesen, Maus aus der Hand, weg vom Computer und raus an die frische Luft, ins Boot, an den Fels oder wenn es zu kalt ist in die Wander- oder Laufschuhe!

(Bearbeitung des Artikels im "Kanu-Sport" 08/2023)